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Landrätin Kornelia Wehlan und die Erste Beigeordnete, Kirsten Gurske (v.r.n.l.)

Halbzeitbilanz der Landrätin - Sommerinterview mit Kornelia Wehlan

Liebe Konni, du reist als Landrätin in den vierten Sommerurlaub. Ist die gedankliche Aufgabenliste in den Jahren deiner Amtszeit kleiner geworden, oder gibt es Zusatzgepäck mit unerledigten Themen?

Grundsätzlich versuche ich, bis zum Sommerurlaub etwas Vorlauf zu schaffen. Denn allein das Alltagsgeschäft füllt den Kalender meiner Urlaubsvertretung – der stellvertretenden Landrätin Kirsten Gurske – mehr als genug. Allerdings gibt es durchaus ein „Zusatzgepäck“ – den Haushalt 2018. Wir wollen ihn zwei Monate früher als bisher üblich in den Kreistag einbringen, damit er möglichst noch in diesem Jahr beschlossen werden kann. Deshalb beginnen unmittelbar nach dem Urlaub die ersten Haushaltsrunden mit den Fachämtern und Dezernaten.

Bemerkenswert ist, dass wesentliche Beschlüsse der Kreisentwicklung mit deutlichen Mehrheiten vom Kreistag verabschiedet wurden und die Fraktionen ohne Koalitionen oder Zählgemeinschaften Politikfähigkeit bewiesen. Du warst selbst jahrelang in anderen Volksvertretungen. Hat das deinen Arbeitsstil geprägt?

Ja, natürlich prägen meine Erfahrungen als Abgeordnete meine jetzige Herangehensweise an die Dinge. Sachorientierte Kommunalpolitik funktioniert nur, wenn man einander mit Achtung und Respekt begegnet und die Arbeit offen und transparent gestaltet wird. Ich glaube aber auch, dass ich als Frau einen anderen Führungsstil habe. Wir „verkaufen“ uns nicht so offensiv, argumentieren mehr auf der persönlichen Ebene und kümmern uns mehr. Das bedeutet oftmals harte Sacharbeit und damit viel Aufwand, viel Zeit … Was so mancher Mann als Führungsschwäche interpretieren würde, ist in meinen Augen eine Stärke: Entscheidungen, die gemeinsam getroffen werden, stehen auf festerem Boden als autoritäre oder undurchsichtige Alleingänge.

Stichwort Transparenz. Welchen Stellenwert haben für dich das persönliche Wirken in den Ausschüssen des Kreistages bei der Beschlussvorbereitung sowie die ständige Information der Abgeordneten über wichtige Angelegenheiten?

Verwaltungshandeln muss durchschaubar sein, Fachvorlagen sind verständlich zu formulieren, Folgewirkungen gehören klar benannt. Darauf haben Abgeordnete einen Anspruch. Schließlich machen sie ihre Arbeit im Ehrenamt, kommen aus den unterschiedlichsten Professionen und müssen sich nach Feierabend in Vorlagen hineindenken und sich dafür notwendiges Fachwissen aneignen.

Die Ausschusssitzungen sind für mich der erste Gradmesser. Gelingt es dort nicht, mehrheitsfähige Beschlüsse zu erreichen, dann funktioniert es im Kreistag gleich gar nicht. Ich nehme die Arbeit der Abgeordneten sehr ernst – und die beginnt nun mal mit der Vorbereitung der Sitzungen. Und nicht nur für den Kreisausschuss, den ich leite.

Als Hauptverwaltungsbeamtin leitest du vergleichsweise einen Großbetrieb mit über 850 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wie gelingt es, Personalbedarfe und finanzielle Mittel so zu planen, dass effektive Dienstleistungen für die Einwohnerinnen und Einwohner Ergebnis von bürgernaher Verwaltungsarbeit sind?

Das ist in der Tat sehr kompliziert. Grundlage für die Arbeit der Verwaltung, aber auch für die Beschlüsse des Kreistages sind die Leitziele und Handlungsschwerpunkte unseres Leitbildes „Miteinander leben und die Zukunft gestalten“. Er ist eine Art Wegweiser für die Zukunft, der eine Grundorientierung für die mittelfristige Entwicklung der Region darstellt. Beispielsweise ist dort festgelegt, dass der Landkreis Teltow-Fläming und seine Verwaltung bürgerfreundliche und effektive Dienstleister sind, die nachhaltiges Handeln sichern. Letzteres schließt die langfristige Sicherung eines ausgeglichenen Haushalts und der Liquidität des Landkreises ein. Mit anderen Worten: Bürgernahe und effektive Verwaltungsarbeit, Qualitätsstandards, Personalentwicklung und Finanzbedarfe – auch der Kommunen – müssen so zueinander gebracht werden, dass mindestens der Haushaltsausgleich steht. Zukünftigen Generationen können wir keine neuen Hypotheken aufbürden. All das bedeutet für unseren „Großbetrieb öffentliche Verwaltung“ tägliche Schwerstarbeit.

Konzepte zur Haushaltssicherung sind für Verwaltung und Kreistag schon Vergangenheit, sparsamer Geldeinsatz bleibt Tagesaufgabe. Ist die Zielstellung im Haushalt 2018 zu halten, die Kreisumlage mit 45 Prozent festzuschreiben?

Das wird uns alles abverlangen – so viel ist heute schon klar. Wir sind aus der Haushaltssicherung, aber noch lange nicht über den Berg. Deshalb müssen wir zwingend den eingeschlagenen Konsolidierungsweg konsequent fortsetzen. Dies zählt umso mehr, da die finanziellen Herausforderungen am Beginn der Haushalts- und Stellenplanaufstellung noch nicht endgültig absehbar sind. Mit den Orientierungsdaten des Landes für die Haushaltsaufstellung 2018 fehlen erst einmal zwei Millionen Euro im Vergleich zu 2017. Hinzu kommen größere Aufwendungen, zum Beispiel bei den Personalkosten sowie bei Kita- und Tagespflege. Bis zum 28. Juli 2017 mussten alle Fachämter der Verwaltung ihre Haushaltsdaten eingeben. Dann erfolgt die Aufstellung des Haushalts und ich denke, wir werden Ende August/ Anfang September den ersten Stand vorliegen haben. Bei der Aufstellung des Haushaltsplanes sind zur Höhe der Kreisumlage die Finanzbedarfe des Landkreises und der Kommunen abzuwägen.

Mit der erfolgreichen Finanzpolitik ist auch das Teltow-Fläming-Konzept für die Eigenständigkeit aufgegangen. Welche Potenziale für die stabile Weiterentwicklung sind für dich künftig maßgebend?

Ja, der Kampf für die Eigenständigkeit des Landkreises hat sich gelohnt. Wir hatten viele gute Argumente auf unserer Seite – auch mit der Finanzpolitik des konsequenten Schuldenabbaus seit nunmehr vier Jahren. Aber die Herausforderungen werden nicht geringer. Unsere Globalplayer wie Rolls-Royce, Mercedes-Benz und MTU brauchen gute Verwertungs- und Standortbedingungen. Das ist im Übrigen auch für das gesamte Land Brandenburg wichtig, denn 53 Prozent seines Exportgeschäfts kommen aus Teltow-Fläming. Nicht minder zählt der Wirtschaftskorridor in Berlin und Brandenburg rund um den Flughafen BER. Hier fehlt aus meiner Sicht ein koordiniertes starkes Handeln.

Aber nicht nur in der großen Industrie, auch im klein- und mittelständischen Bereich, im Handwerk, Tourismus sowie der Landwirtschaft liegen Potenziale. Diese zu erkennen, zu begleiten und zu fördern bedarf eines modernen, auf Netzwerkarbeit ausgerichteten Verwaltungshandelns. Den Wanderungsbewegungen von Berlin und Potsdam hin zu bezahlbarem Wohnraum und Grundstücksflächen bis in den Süden unseres Landkreises muss größte Aufmerksamkeit geschenkt werden. Letztendlich bringt eine positive Bevölkerungsentwicklung finanzielle Handlungsspielräume mit sich, Stichwort Zuweisungen, Einkommenssteuer. Um aber Menschen langfristig in der Region zu halten, brauchen Landkreis, Gemeinden und Städte die Unterstützung bei ÖPNV, Kita, Schule und sozialer Infrastruktur. Längst sind diese so genannten weichen Faktoren zu harten Standortbedingungen geworden.

Wir kennen dich als besonders fachkompetente und sehr fleißige Kommunalpolitikerin mit hohen Ansprüchen an die eigene Aufgabenerfüllung. Wo findest du Motivation und Kraftquell?

In der Familie. Sie ist mir sehr wichtig – und zwar nicht nur, weil sie mir Rückhalt und Kraft für mein Amt gibt. Mein Mann und ich – wir sind stolz auf unsere beiden erwachsenen Kinder und unsere nunmehr zwei Enkel. Und wir genießen es, die wenigen freien Stunden gemeinsam oder im größeren Familienkreis zu verbringen.

Notwendigerweise hast du als „Landrätin für alle“ die Funktionen in unserer Partei aufgegeben, auch die direkten Kontakte mit der Basis sind weniger geworden. Welche Ratschläge oder Erwartungen hast du mit Blick auf den Wahltag am 24. September?

Ich bin als Landrätin in Verantwortung und übernehme sie mit ganzer Kraft und Energie. Das fordert mich täglich bis in die Abendstunden und oftmals am Wochenende –für aktive Parteiarbeit bleibt da wenig Zeit. Dennoch behaupte ich, dass mein Handeln als Landrätin sicherlich nicht ohne Wirkung auf die Akzeptanz der LINKEN hier vor Ort ist. Mit Blick auf den Wahltag hoffe ich in erster Linie auf eine hohe Beteiligung. Wer nicht an die Urne tritt, hilft denjenigen, für die demokratische Werte und gesunder Menschenverstand nicht zählen. Und beides ist so wichtig in einer Welt, die zunehmend aus den Fugen gerät. Krieg und Elend, Hunger und Wassermangel oder die Zerstörung der Umwelt gehen uns alle etwas an. Bezogen auf den Landkreis - das Leben hier vor Ort – begegnen mir Fragen zum bezahlbaren Wohnen, zur Altersarmut, zur Einkommens- und Steuerentwicklung, zur Mindestsicherung für Kinder, Familien und Alleinerziehende. Ratschlag und Erwartung zugleich ist, dass diese wichtigen Lebensfragen aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger, der hier lebenden Menschen, beantwortet werden. Der Slogan „Bürgerinteressen über Parteiinteressen“ hat meiner Meinung nach nichts an Aktualität verloren.

Das Gespräch führte Jürgen Akuloff.